Am 1. Juli 1936 erschien die erste Nummer des „Passauer Bistumsblattes“. Verantwortlich für das Erscheinen waren Bischof Sigismund Felix, später Bischof Simon Konrad Landersdorfer OSB, Generalvikar Dr. Franz Seraph Riemer und Schriftleiter Dr. Emil Janik. Dass während der NS-Zeit eine katholische Zeitschrift neu zugelassen wurde, mag zunächst erstaunen. Allerdings hatte die NS-Regierung 1933 in Artikel 4 des Reichskonkordates zugestimmt, dass Diözesanblätter weiterhin ungehindert veröffentlicht werden dürften. Passau sah die Notwendigkeit einer bistumseigenen Zeitschrift erst aufgrund der Diktaturbedingungen gegeben; die Passauer Donauzeitung, die bis 1933 kirchennah berichtet hatte, war im Zuge der Gleichschaltung der Presse in den Besitz des NS-Verlages Bayerische Ostmark gelangt und verfolgte seitdem die kirchenfeindliche Tendenz der NS-Presse.

Ein Ziel der Diözesanleitung war es daher gewesen, eine unter strengen Zensurbedingungen doch unabhängige Zeitschrift zu schaffen. Das Passauer Bistumsblatt wurde in den fünf Jahren seines Erscheinens in nationalsozialistischer Zeit tatsächlich viel gelesen. Die Zeitschrift startete mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren, steigerte sich dann aber bis zur erzwungenen Einstellung am 1. Juni 1941 auf 45.000 Stück wöchentlich. Die staatlichen Vorgaben zwangen das Blatt auf einen Umfang von vier Seiten, der nur gelegentlich durchbrochen werden konnte. Seit Kriegsbeginn 1939 durfte die Zeitschrift nur mehr viermal im Monat erschienen. Gab es einen fünften Sonntag in einem Monat, musste die Ausgabe entfallen.

Bemerkenswert ist, wie die Redakteure des Passauer Bistumsblattes unter Zensurbedingungen agierten. Zunächst einmal testeten sie Grenzen aus. 1937 wurde beispielsweise die Ausgabe vom 11. Januar beschlagnahmt (sie wurde allerdings in die Online-Version aufgenommen). Grund dafür war ein Artikel, der mit deutlichen Worten die Gültigkeit des Alten Testaments für die katholische Kirche unterstrich. Damit positionierte sich das Bistumsblatt gegen eine Verleumdungskampagne, die zu dieser Zeit reichsweit und damit auch in der Passauer Donauzeitung gegen das Alte Testament und damit natürlich vor allem gegen die jüdische Bevölkerung vehement geführt worden war. Grundsätzlich galt also, dass die Redakteure stets darauf achten mussten, dass sie zwar so deutlich die kirchliche Botschaft verkündeten und ihre Meinung kundtaten als es möglich war, aber doch in so vorsichtiger Weise, dass die Zensoren keinen Anlass erhielten, die Publikation zu unterbinden. Dies führte dazu, dass die Verfasser der Artikel auf eine ganz eigene Weise zu schreiben lernten; die Zeitschrift ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie Autoren unter Zensurbedingungen kreative Lösungen entwickelten. Ein Beispiel sei genannt: dem kurzen, staatlich erwarteten Artikel zum Geburtstag Adolf Hitlers 1937 beispielsweise steht in derselben Ausgabe nicht von ungefähr der groß aufgemachte Beitrag zum Heiligen Bruder Konrad gegenüber, der in seiner Persönlichkeit und mit seinem Lebensentwurf geradezu einen Gegenentwurf zum nationalsozialistischen Menschenbild darstellte (Passauer Bistumsblatt, Nr. 16, 18.04.1937).

Wichtig zu bedenken ist auch, dass die Verfasser der Artikel in der Sprache ihrer Zeit schrieben. Diese mag uns heute manchmal etwas fremd erscheinen. Einige der von ihnen gebrauchten Worte wirken aber erst seit dem Beginn der 1970er Jahre veraltet und rufen erst seitdem ggf. negative Konnotationen hervor.

Thematisch nahm sich das Bistumsblatt zunächst einmal dem katholischen Leben im Bistum Passau an. So wurde auf Exerzitien hingewiesen, über Erstkommunionen, Firmungen und Priesterweihen berichtet, wurden Wallfahrten und diözesane Veranstaltungen beschrieben. Für das kirchliche Leben im Bistum Passau unter den Bedingungen der Diktatur ist diese Zeitschrift damit ein wichtiges und sehr buntes Zeugnis. Aber die Verfasser der Artikel äußerten sich auch über Grundfragen des Glaubens, erinnerten die Menschen an die christlichen Werte und legten das jeweilige Sonntagsevangelium mit spitzer Feder immer wieder auch zeitbezogen aus. Eine direkte politische Stellungnahme hingegen vermieden die Autoren so lange als möglich; seit 1938 mussten schließlich sogenannte „Auflageartikel“ zwangsweise eingerückt werden, die sofort auch den Charakter des Bistumsblattes veränderten. Die Berichte zum „Anschluss Österreichs“ und zu den Münchener Verträgen können hier als erste Beispiele dafür gelten.

Das Bistumsblatt ist ein Zeugnis seiner Zeit und die Verantwortlichen handelten als Kinder ihrer Zeit: ihr Ziel war es, unter widrigen Bedingungen christliches Leben zu wahren und christliche Kernbotschaften einem unmenschlichen System entgegenzustellen. Aber eine dezidierte Verteidigung jüdischen Lebens sucht man vergebens, eine indirekte wird durch die starke Betonung der Unersetzlichkeit des Alten Testaments für den katholischen Glauben zumindest spürbar. Die Verfasser der Artikel waren geprägt vom Trauma des Ersten Weltkriegs, der fehlenden Verarbeitung und nicht stattgefundenen kritischen Reflexion. Die nationale Euphorie seit den schnellen Erfolgen und Siegen der Wehrmacht in den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs prägen auch den Tonfall mancher Artikel des Bistumsblattes – über die Auflageartikel hinaus.

Mit dem Befehl, die Produktion zum 1. Juni 1941 einzustellen, endete die erste Phase des Passauer Bistumsblattes. Die fünf Jahrgänge belegen eindrucksvoll, wie sehr die Kirche von Passau versuchte, trotz widriger Umstände kontinuierlich die Gläubigen zu informieren und sie ein Stück weit gegen die NS-Ideologie zu immunisieren. Christliche Werte und katholische Glaubenspraxis standen im Mittelpunkt der Berichterstattung – sie trotz strenger Zensur vermitteln zu können, bedurfte kreativer und teilweise auch mutiger journalistischer Köpfe.

Projektteam

Idee und Leitung
Wolfgang Krinninger, PD Dr. Hannelore Putz, Prof. Dr. Malte Rehbein, Dr. Herbert W. Wurster
OCR, Webdesign, Programmierung
Sebastian Gassner
Digitalisierung
Petra Asenbauer
Digitalisierung, Manuelle Korrektur
Anna Fruth
Unterstützung des Webdesigns
Elena Mühlbauer